Nutria
Nutrias sind sehr friedliche Tiere, die in Harmonie mit anderen Wasserbewohnern wie zum Beispiel Enten leben. Am liebsten ernähren sie sich vegetarisch: Blätter, Stängel und Wurzeln von Wasserpflanzen machen den größten Teil ihrer Nahrung aus. Aufgrund ihrer schwachen Sehkraft sind Nutrias eher ängstlich und vorsichtig. Insgesamt zeichnen sie sich durch ein sanftes und ruhiges Wesen aus.
In unserer Wildtierrettungsstation kümmern wir uns um verletzte und verwaiste Nutrias – wie zum Beispiel „Cheesy“, ein Nutria-Jungtier, das mit verbrannten Pfoten und einem verletzten Schwanz zu uns gebracht wurde, nachdem man es mit Brandbeschleuniger übergossen und angezündet hatte. Ohne die Hilfe unserer ehrenamtlichen Helfer:innen hätte „Cheesy“ nicht überlebt. Heute geht es ihr wieder gut, und wir sorgen dafür, dass dies so bleibt und es ihr an nichts mangelt.
Ein Leben in Freiheit ist für „Cheesy“ und die anderen Nutrias in unserer Station jedoch unmöglich. Der Grund: Da sich die Nutria-Bestände in einigen Regionen stark vermehrt haben, gelten sie in Deutschland seit 2017 als invasive Art und dürfen nicht wieder ausgewildert werden. Dabei wäre eine Sterilisation vor der Auswilderung eine einfache und tierfreundliche Lösung, die ihnen ein Leben in Freiheit ermöglichen würde. Zudem würden wir und andere Wildtierrettungsstationen dadurch finanziell erheblich entlastet.
Um „Cheesy“ und die anderen Nutrias dauerhaft versorgen zu können, sind wir auf Spenden angewiesen. Bitte helft uns dabei, verletzten und verwaisten Nutrias ein möglichst artgerechtes Zuhause zu bieten und ihnen die Fürsorge zu schenken, die sie brauchen.
Fragen und Antworten
Warum müssen Nutrias geschützt werden?
Verschiedene Interessengruppen fordern, Nutrias mit Lebendfallen einzufangen und anschließend zu töten, um ihre Populationen zu reduzieren. Ein wesentlicher Grund für ihre starke Vermehrung in bestimmten Gegenden ist, dass dort, wo die Tiere regelmäßig Futter finden – wie beispielsweise in urbanen Gebieten – räumlich begrenzt hohe Populationsdichten entstehen können. Dadurch kann es vor allem in Gärten sowie in Böschungs- und Uferbereichen von Flüssen und Kanälen zu Schäden kommen. Einzelne Bundesländer haben bereits Sondergenehmigungen zum Fang und Abschuss von Nutrias erteilt – so zum Beispiel auch Hamburg.
Dabei zeigt Italien mit einem Sterilisationsprojekt, dass es auch anders geht: Initiiert von der Universität Turin werden die Tiere zunächst mit moderner Technik gezählt, und es wird festgestellt, wo sie sich aufhalten. Anschließend werden sie eingefangen, vor Ort sterilisiert und direkt nach der Operation wieder freigelassen. Das bedeutet, dass kein Tier transportiert werden muss.
Auch italienische und französische Studien belegen am Beispiel von Wildschweinen, dass eine intensive Bejagung generell keine Lösung ist: In Gebieten mit hohem Jagddruck vermehrten sich Wildschweine schneller, wurden früher geschlechtsreif und brachten insgesamt mehr Nachwuchs zur Welt als in wenig bejagten Regionen. In jagdfreien Gebieten oder bei Anwesenheit von natürlichen Feinden wie Wölfen reguliert sich die Population hingegen deutlich effektiver.
Daher fordert auch Looki e.V., die Nutria-Populationen durch Sterilisationsprojekte und andere sanfte Maßnahmen zu kontrollieren, statt Nutrias zum Abschuss freizugeben.
Wie sehen Nutrias aus?
Nutrias werden zwar oft für Biber gehalten, doch im Gegensatz zu diesen haben sie weiße Barthaare und deutlich sichtbare Ohren. Besonders leicht lassen sie sich an ihrem charakteristischen Gebiss unterscheiden: Nutrias besitzen zwei sehr robuste Schneidezähne, die mit einem orangefarbenen Zahnschmelz überzogen sind. Diese auffällige Farbe entsteht im Erwachsenenalter durch Eisenablagerungen, die den Zahnschmelz zusätzlich härten.
Die Färbung ermöglicht Rückschlüsse auf Alter, Geschlechtsreife und Gesundheitszustand der Tiere: Bei Neugeborenen sind die Zähne noch hellgelb, während des Heranwachsens färben sie sich dunkelgelb, bei Erreichen der Geschlechtsreife leuchten sie orange bis rötlich. Bei älteren oder kranken Tieren werden die Zähne wieder gelb.
Zwischen den Zehen ihrer Hinterfüße besitzen Nutrias Schwimmhäute, wobei ein Zeh freiliegt. Diese machen sie zu ausgezeichneten Schwimmern. Ihre Vorderpfoten bestehen aus fünf Zehen mit Krallen, mit denen sie geschickt Nahrung sammeln, Fellpflege betreiben oder Schilfnester bauen.
Wie leben Nutrias?
Nutrias leben monogam, entweder paarweise oder in Familienverbänden von bis zu zwölf Tieren. Die weiblichen Jungtiere bleiben bei ihren Müttern, sodass die Gruppen hauptsächlich aus verwandten weiblichen Nutrias und einem erwachsenen Männchen bestehen. Junge männliche Nutrias leben oft allein.
Nach etwa sechs Monaten sind Nutrias geschlechtsreif. Die Tragzeit beträgt rund 130 Tage, anschließend bringt das Weibchen in der Regel vier bis sechs Jungtiere zur Welt. Diese sind bei der Geburt bereits weit entwickelt: Sie sind komplett behaart, ihre Augen sind geöffnet, und wenige Stunden nach der Geburt können sie schon schwimmen.
Trotz ihrer frühen Selbstständigkeit säugt die Mutter ihre Jungen etwa zwei Monate lang. Danach gehen sie selbst auf Nahrungssuche. Eine besondere Anpassung erleichtert das Säugen im Wasser: Die Zitzen der Mutter liegen besonders hoch an den Körperseiten, sodass die Kleinen trinken können, während die Familie im Wasser schwimmt. Ihre Nasen bleiben dabei stets über der Wasseroberfläche, sodass sie gleichzeitig atmen können.
Und noch ein erstaunlicher Fakt über die Fähigkeiten dieser friedfertigen Nager: Das Nutria gehört zu nur fünf Arten weltweit, deren Populationen sich selbst regulieren, indem die Tiere einen Abort (eine Abtreibung) einleiten, wenn nicht genügend Ressourcen für das Überleben der Nachkommen vorhanden sind.
Woher kommt das Nutria?
Das Nutria stammt, wie sein Verwandter das Meerschweinchen, aus Südamerika und steht dort seit den 1980er-Jahren unter Schutz. In Deutschland wurden Nutrias in den 1920er-Jahren für die Pelztierzucht eingeführt. Erste freilebende Nutrias wurden zwischen 1880 und 1890 in Deutschland beobachtet.
In Hamburg haben sich die Nutrias seit Mitte der 1990er-Jahre viele potenzielle Lebensräume an und in der Nähe von stehenden und fließenden Gewässern erschlossen, hauptsächlich in den Bezirken Bergedorf und Harburg. Sie halten die Uferbereiche von übermäßigem Bewuchs frei und verbessern die Wasserqualität, unter anderem indem sie durch Verbiss der Vegetation den Sauerstoffgehalt erhöhen, Platz für Bodenbrüter schaffen und die Fischbestände unterstützen. Im Münsterland wurden Nutrias gezielt angesiedelt, da dies eine weitaus ökologischere und schonendere Gewässerpflege darstellt als die kosten- und zeitintensive maschinelle Pflege.
Wie alt werden Nutrias?
Wenn alle Bedingungen stimmen, können Nutrias über zehn Jahre alt werden. Mit dem Wetter in unserer Klimazone kommen sie generell gut zurecht.
Ihre Bestände regulieren sich im Normalfall von selbst: Kalte Temperaturen im Winter in Kombination mit einem knappen Nahrungsangebot führen zu einem Rückgang der Populationen. Bei Kälte erfrieren die empfindlichen Schwimmhäute zwischen den Zehen sowie der ungeschützte, nackte Schwanz. Außerdem können Nutrias unter geschlossenen Eisdecken im Wasser die Orientierung verlieren und ertrinken. Bei starkem, langanhaltendem Bodenfrost gelangen sie zudem nicht an die Wurzeln der Ufervegetation. Wenn jedoch mehrere sehr milde Winter aufeinander folgen, können sich einzelne Bestände halten und sogar vergrößern.
